TourCert Journal

Corona-Befragung zu Implikationen für die nachhaltige Entwicklung des Tourismus

Ein Steg mit Schilf umgeben im Sonnenuntergang.

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Der Tourismus gehört zu den Branchen, die von der Corona-Krise am stärksten betroffen sind. Viele Unternehmen sehen sich in ihrer Existenz bedroht. Die Krise ist jedoch auch eine Chance, um bestehende Wirtschaftsmodelle zu hinterfragen, und bestenfalls nachhaltiger zu wirtschaften. Aber wie stehen Tourismusunternehmen bei all den wirtschaftlichen Herausforderungen aktuell zu Nachhaltigkeit? Gemeinsam mit dem Zentrum für Nachhaltigen Tourismus an der HNE Eberswalde (ZENAT) und Futouris e.V. hat TourCert im Juni 2020 eine Befragung von über 600 deutschen und österreichischen Tourismusunternehmen durchgeführt. Zentrales Ergebnis ist, dass Nachhaltigkeit in der Corona-Erholungsphase sowie nach der Corona-Krise weiterhin eine Rolle spielen wird.

Die Logos von TourCert gGmbh, ZENAT, Futouris e.V.
Die Online-Befragung wurde in Kooperation von ZENAT (Zentrum für nachhaltigen Tourismus), Futouris e.V. und TourCert durchgeführt.

Ziel der Befragung

Ziel der Online-Befragung war es, herauszufinden, wie InhaberInnen und ManagerInnen deutscher und österreichischer Tourismusunternehmen, -verbände und -organisationen den Stellenwert von Nachhaltigkeit in der Corona-Erholungsphase und einer künftigen Post-Corona-Welt einschätzen. Es sollte ermittelt werden, ob während und nach der Krise eine – ggf. sogar verstärkte – Bereitschaft existiert, Nachhaltigkeitsziele im Tourismus umzusetzen oder ob im Gegenteil zu befürchten ist, dass solche Ziele mit Hinblick auf die massiven wirtschaftlichen Probleme der Branche in den Hintergrund gestellt werden.

Stichprobe der Befragung

Die Befragung wurde durch die deutschen und österreichischen Spitzenverbände an ihre Mitglieder verteilt. Insgesamt nahmen 607 Tourismusunternehmen und Organisationen mit Sitz in Deutschland und Österreich teil, wobei 2/3 der Rückläufe von österreichischen Unternehmen kamen. Ca. 60% der Befragten repräsentieren Unternehmen aus dem Gastgewerbe, weitere 20% Tourismusorganisationen (einschl. DMOs) und knapp 8% Reiseveranstalter bzw. -mittler.

Landschaftsbild mit Baum und Wolken
607 deutsche und österreichische Tourismusunternehmen nahmen an der im Sommer durchgeführten Online-Befragung teil.

Zentrale Ergebnisse

Die Ergebnisse der Befragung geben insgesamt keine Hinweise, dass sich die Branche von bereits akzeptierten Nachhaltigkeitsmaßnahmen Corona bedingt verabschiedet. Im Gegenteil zeigen sie eine große Zustimmung zum Prinzip der Nachhaltigkeit sowie zur Bedeutung des Klimaschutzes, die allerdings meist dann stärker ausgeprägt ist, wenn es um die Tourismusbranche als Ganze geht, nicht wenn es um das eigene Unternehmen, oder explizit um mögliche Restriktionen geht.

So erachten 90% der Befragten ein solides Wirtschaften auf lange Sicht und mit Substanz als notwendig, um für zukünftige Krisen widerstandsfähiger zu sein, auch wenn dies zu einem geringeren Wachstum führt. Die Rückkehr zu alten Wachstumsraten zur Wiederherstellung eines prosperierenden Tourismus hält nur ein gutes Drittel für zielführend. Ebenfalls 90% der Befragten sprechen sich dafür aus, dass Anpassung an den Klimawandel sowie Klimaschutz im Tourismus höchste Priorität haben sollte. Selbst das konkretere Statement, wonach staatliche Corona-Hilfen zumindest teilweise davon abhängig gemacht werden sollten, ob die Begünstigten Klima- und Umweltschutz betreiben, wird noch von zwei Dritteln der Befragten unterstützt. Die überwältigende Zustimmung kann man aber eventuell damit erklären, dass hier vor allem Unternehmen und Organisationen des Inlandstourismus geantwortet haben, bei denen eher weniger transportbedingte Emissionen zu verzeichnen sind und die sich daher selbst womöglich weniger angesprochen fühlen. Auch seitens der Nachfrage erwarten 80% der Befragten eine höhere Relevanz von Nachhaltigkeit, an die sich die touristischen Anbieter anpassen müssten. 71,6% sehen zudem eine längerfristig anhaltende Orientierung der Reisenden auf inländische oder europäische Ziele.

Ein Balkendiagram zur Auswertung der Zustimmungsraten zu Nachhaltigkeitsstatements
Unter den österreichischen und deutschen befragten Unternehmen herrscht eine große Zustimmung in Bezug auf Nachhaltigkeit.

Die Zustimmung zu Nachhaltigkeitsaspekten ist etwas weniger stark ausgeprägt, wenn es um das eigene Unternehmen geht. So halten 42% der Befragten die Nachhaltigkeitsdiskussion zum jetzigen Zeitpunkt für sekundär, da im eigenen Unternehmen / Organisation gerade andere Sorgen und Prioritäten vorherrschen. Dies ist verständlich, angesichts der Tatsache, dass viele Tourismusunternehmen aktuell um das wirtschaftliche Überleben kämpfen. Folgerichtig sind 60% der Meinung, dass in ihrem Unternehmen alle „den Gürtel enger schnallen“ müssten, einschließlich der Mitarbeitenden, auch wenn man dies bedauere.

Diese Zurückhaltung scheint allerdings nur im aktuellen Krisenbewältigungsmodus zu gelten, denn die große Mehrheit der Befragten möchten zukünftig ihre Unternehmensziele stärker an Zielen einer nachhaltigen Entwicklung ausrichten. Dieser Wunsch wird durch die überraschend zahlreichen, konkreten und engagierten Antworten der TeilnehmerInnen auf die Frage nach künftig geplanten Maßnahmen verdeutlicht. Bei den über 730 durch die TeilnehmerInnen genannten Aktivitäten lag der Fokus vor allem in den Bereichen Management, Ökonomie und Umwelt. Nachhaltigkeitsorientierte Strategien werden als Voraussetzung für unternehmerischen Erfolg in der Post-Corona-Zeit gesehen. So setzen fast 60% der Befragten auf nachhaltige Produkte und Dienstleistungen und streben hierdurch eine Erhöhung der Attraktivität für die heimischen Märkte an.

Ein Balkendiagramm zur Auswertung der Handlungsoptionen nach der Corona-Krise
Die Mehrheit der befragten Unternehmen misst Nachhaltigkeit eine große Bedeutung bei und möchte das eigene Unternehmen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung ausrichten.

Studienfazit

Durch die Corona-Krise wird zunehmend die Frage gestellt, inwiefern das Produkt „Reisen“ durch die Krise selbst, aber auch durch sich wandelnde KonsumentInnenbedürfnisse, verändert wird und wie die Anbieter darauf reagieren müssen. Mittelfristig scheinen sich schon bestehende Nachhaltigkeitsüberzeugungen zu verstärken, bis hin zu ganz neuen Perspektiven, etwa in Bezug auf die Entdeckung des Naheliegenden und die Beachtung von natürlichen und sozialen Kapazitätsgrenzen. Das Thema Klimaschutz bleibt allerdings ein ambivalentes. Hier sieht man möglicherweise eher die Branche insgesamt als sich selbst in der Pflicht.

Die gesamte Studie können Sie hier einsehen.

 

Tags
Befragung, Corona, Corona-Krise, Nachhaltige Entwicklung, Nachhaltigkeit, Tourismus

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